Sonntag, 30. August 2009

+++Odyssee - 24 Stunden ohne Sonne.

+++Es ist etwa halb drei Uhr morgens.
Es sind noch 12 Minuten bis der Zug fährt. Meine Beine sind Motorenkolben, mein Herz ein Presslufthammer. Ich sause auf dem Fahrrad über die Brücke am Leibnizufer.
Noch 2 Minuten, ich stehe an der Ernst-August-Galerie an der Ampel. Noch 60 Sekunden. Aus. Alles aus. Zug verpasst. Der nächste fährt erst in 4 Stunden.
Fuck.
Primärziel: Nach hause kommen.
Sekundärziel: Fahrrad, Laptop und den Rucksack samt Inhalt wieder nach hause bringen.
Problem: Ich hab mein Fahrradschloss nicht dabei.
Also gilt es sicherzustellen, dass ich nicht einschlafe, da die ganzen Zombies am Bahnhof schon auf mein Fahrrad lugen.
Okay, ersteinmal gucken, was ich da habe, um mich zu unterhalten.
-einen MP3Player, dessen Akku beinahe alle ist.
-A star called Henry - ungünstig, denn beim Lesen schlafe ich garantiert ein.
-Einen Block und Stifte
-meinen Laptop
-mein Fahrrad
-Zwei Tassen kalter, ekelhafter aber superstarker Kaffee (reicht vielleicht für 2 Stunden)
-einen geliehenen Pulli
-ein Hemd
-eine ungeöffnete Flasche White Rum.
-62 cent Kleingeld, aber eine EC-Karte mit etwas unter 20 Euro auf dem Konto.

Gut, das war der Inventarcheck. Umgebung überprüfen. Partyzombies, Obdachlose, Bettler. Burgerking, McDonalds und ein Backwarenladen hat noch offen.
In 50 Minuten fährt eine Bahn nach Altwarmbüchen. Mal sehen, vielleicht fährt ab da ja der Bus, und wenn nicht kann ich von da aus eher mit dem Rad fahren.
Also erstmal mit der Rolltreppe runter und warten. Warten...
Ich sitze auf einer Bank, die aus Pappe ausgeschnitten wurde, neben meinem Fahrrad, das aus Pappe ausgeschnitten wurde, mit einem Rucksack, der aus Pappe ausgeschnitten wurde...
Okay. Die Bahn braucht immernoch 30 Minuten, Zeit für meinen Kaffee. Ich geb mir die volle Ladung und merke sofort, dass die Welt um mich herum wieder klarer wird, ich ziehe mich näher an das Bullauge heran, durch welches ich die Realität betrachte.
Aber mir wird langsam kalt.
Die Zeit verstreicht, immernoch unendlich langsam, aber die Bahn kommt doch.
Ich sitze drinnen, klammer mich an mein Fahrrad und mein MP3 Player stirbt.
Fuck. Die Welt ist gerade ein Stückchen unerträglicher geworden, jetzt, wo ich den Gesprächen der letzten Leute zuhören muss, die auf dem Weg nach hause sind.
Ich komme in Altwarmbüchen an. Ja, der Bus fährt. Aber nicht sonntagsmorgens.
Ich fahre Fahrrad und stelle fest, dass ich mir das nicht mehr zutraue, so müde wie ich bin und so sehr, wie mein Kreislauf spinnt.
An der nächsten Station halte ich an und fahre zurück zum Bahnhof, genug Zeit habe ich ja, leider.

Mir ist kalt. Wirklich, scheißend, arschloch fucking kalt.
Was tun? Hm. Auf und ab gehen, zum Gleis, zurück... ich wage es tatsächlich, mein Fahrrad ganz am Ende des Gleises zu verstecken und gehe bei Burgerking rein. Nein, sie nehmen keine Karte.
Ich gehe zum EC-Automaten. Mindestens 20 Euro muss man abheben, das habe ich gerade so eben nicht mehr.
Fuckediefuck.
Ich geh mein Rad abholen und ersuche experimentell herauszufinden, wo der warmste Ort im Bahnhof ist. Ich mache mir Überlegungen zu Luftzug und Wärmequellen, probiere Fahrstühle aus und stelle mich vor Burgerking. Auch nichts.
Es stellt sich heraus, dass McDonalds EC-Karten nimmt und eine Heizung hat. Mein Magen befielt mir, ich folge und kaufe mir ein Ekelmenü mit Pappe und extra viel Luft.
Lecker.
Ich lese "A Star Called Henry", 5 Seiten, zehn seiten. Aufs Fahrrad gucken, dass direkt vor mir, hinter der Glaswand geparkt ist.
20 Seiten, nicht einschlafen. Nicht einschlafen. Der Kaffee ist alle. Ich könnte den Rum probieren und damit dem Gehirn einen letzten Pusch an Energie geben, wenn ichs übertreibe liege ich aber dann auch nur auf den Fliesen wie der Typ dahinten.
Wach bleiben. Nicht einschlafen.
Ich hole mein Handy raus und stelle mir einen Wecker, spiele Stackattack.
Steht mein Fahrrad noch? Ja.
Noch 50 Minuten bis mein Zug fährt ich habs bald geschafft.
Nicht einschlafen.
Moment, jetzt fehlen mir gerade ganze 10 Minuten in meiner Erinnerung. Was ist passiert? Warum stehe ich am Gleis?
Fuck.
Egal. Noch 30 Minuten. Mir fehlen schon wieder 5.
Der Schlaf kommt in Wellen, lässt meinen Kopf absacken und alles verschwimmt. Ich bin so müde, dass ich halluziniere, träume im Sekundenschlaf, die mir Suggerieren mein Fahrrad wäre weg.
Ich bin wieder bei Mäcces. War ich weg? Hab ich das nur geträumt?
Mein Fahrrad steht noch da, ich nehme es mit und gehe zum Gleis, wo endlich der Zug einrollt.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Am Schluss zählen doch nur die Freunde, die man nachts um drei anrufen kann.
Warum hast du die nicht?

JLdR hat gesagt…

Wollte dich gerade fragen wie es untenrum aussah, aber wahrscheinlich war das auch aus Pappe ausgeschnitten ... und wie sah es aus mit den "gottverdammten Gothik Fotzen"?! Hättest du die nicht klatschen können um dich wach zu halten?! Oder hättest du dann zu viel Bier trinken müssen? Aprospros trinken: bei Mäcces und BK gibt es Cola und in Cola ist Coffein, super extra Coffein! Plus Rum wird da raus super extra "Rum-Coke" für super extra "Inhuman Rampage"!

Atari Solo: *Düdeldü-Düdeldü-Düdeldü-Düdeldü-Düd...deldü-Düdeldü*

und zur Not kennst du doch nen Haufen Menschen die in Hannover Wohnen und Drums spielen ... warum bist du da nicht hin gefahren ... ja gut ... Drummer ... aber man muss auch "Abstriche" machen!

Ichwilleinpony hat gesagt…

Wollte ich doch gerade sagen: Das nächste mal komm doch einfach vorbei und park dich hier aufer Couch

tyler hat gesagt…

bei den "abstrichen" aber bitte vorher doch noch mal nachfragen, ja?

als ich mal 4 stunden auf den zug warten musste, hab ich mich in die bahnhofsmission gesetzt. da wars warm und gab nen kaffee. nur so als tipp fürs nächste mal.

und dass du von altwarmbüchen aus nicht eben das stück nach hause gefahren bist, verwundert mich. das ist doch schon die halbe strecke vom hbf aus. ich würde schätzen, für die strecke brauchst du höchstens noch 30 minuten und wärst damit ... schätzungsweise 90 minuten früher zuhause gewesen, oder nicht?
mfg
ich